Mit diesem klaren Statement kam mir meine kleine Tochter, damals noch ein Kindergartenkind, eines Morgens fröhlich entgegen gerannt. Und sie war wirklich bunt: ein geblümtes Kleid, eine gestreifte Hose, gemusterte Socken und ein gemustertes Langarm-Shirt, dessen Ärmel unter dem Kleid hervor lugten. Sie war fest entschlossen, so in den Kindergarten zu gehen. Zugegeben, wenn ich ihr die Sachen zusammengestellt hätte, wäre ich nicht so mutig gewesen. Aber ich dachte mir: warum nicht? Sie hatte sich ja an alle Absprachen gehalten: sie war eindeutig der Witterung entsprechend angezogen! Also stiefelte sie genauso fröhlich los in einen aufregenden Kindergartentag.
Nun fragen Sie sich sicher, warum ich darüber einen Blog-Artikel schreibe? Für mich - als Pädagogin - bieten diese privaten Geschichten mit meinen Kindern viel Reflexionsfläche für alle Themen, mit denen ich mich auch in meinem professionellen Kontext beschäftige. Und so steht die Geschichte „Heute bin ich bunt!“ für mich beispielhaft dafür, wie Partizipation, also Beteiligung von Kindern, gelingen kann. Mitnichten heißt Partizipation (oder eben: Beteiligung) für mich, dass Kinder über alles und jedes selbst entscheiden können. Das käme aus meiner Sicht einer Überforderung der Kinder gleich. Und wenn wir Erwachsenen – übrigens nicht nur die professionellen Pädagog*innen – aufgerufen sind, Kinder an allen ihr Leben betreffenden Entscheidungen zu beteiligen, dann heißt das für mich nicht, dass wir nur noch fragend erziehen. Nach dem Motto „Willst Du jetzt ins Bett?“ oder „Willst Du jetzt essen?“ oder „Wollen wir jetzt (aus der Kita) nach Hause gehen?“ etc. Denn wer fragt bekommt Antworten! Oft solche, die er/sie gar nicht hören wollte! Oder wollen Sie von Ihrem Kind nach einem langen und harten Arbeitstag wirklich hören, dass es jetzt nicht mit Ihnen aus der Kita nach Hause gehen will? Nein? Dann sollten Sie auch nicht fragen!
Natürlich sollen wir Kinder in Entscheidungen ihres Lebens einbinden und mit ihnen kooperieren. Doch dazu sollten wir Erwachsenen uns vorher genau überlegen, welche Fragen wir stellen und welche Entscheidungen unsere Kinder wirklich treffen können, ohne dass wir sie überfordern. Unsere Aufgabe ist es, Strukturen zu schaffen, innerhalb derer sich die Kinder so frei wie nur möglich bewegen können – in der Kita, aber auch in der Familie. Bezogen auf das Beispiel mit meiner Tochter heißt das für mich: wir hatten schon seit langer Zeit die Regel vereinbart, dass sie allein entscheiden kann, was sie anzieht, aber die Kleidung soll dem Wetter angemessen sein. Zweifellos ist es auch eine Erfahrung wert, was passiert, wenn man sich zu kühl oder warm anzieht, aber solche Experimente mit anschließenden mütterlichen Notfall-Einsätzen konnten wir uns nicht allzu häufig leisten – da wären mir meine Kunden dann doch irgendwann aufs Dach gestiegen. Also habe ich einen für mich handhabbaren Rahmen gesetzt und innerhalb des Rahmens gibt es für mein Kind ganz viele Freiheiten. So halten wir es mit vielen anderen Themen auch.
Die Aufgabe von uns Erwachsenen ist es, den jeweiligen Rahmen zu gestalten, also zu überlegen, welche Entscheidungen wir Erwachsenen treffen, diese dann auch zu treffen und klar zu kommunizieren. Und: den Kindern innerhalb solcher Rahmungen dann auch ihre Entscheidungsfreiheit zu lassen.
Und ganz nebenbei bemerkt: mit dieser Haltung sollten sich nahezu alle menschlichen Beziehungen gestalten lassen! Denn letztlich geht es immer darum, zu klären: in welchem Rahmen bewege ich mich, wer hat die Kompetenz bzw. Macht, diesen zu gestalten und was sind meine Entscheidungsmöglichkeiten innerhalb dieses Rahmens? Egal, ob Eltern-Kind-Beziehung; Pädagoge-Kind-Beziehung oder Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehung.